EurActiv (23.05.2018) Die österreichische Regierung will nun das erste „Leuchtturmprojekt“ in Angriff nehmen. Es geht um die überfällige Reform des Sozialversicherungswesens. Österreich verfügt über eines der am engsten geknüpften Sozialsysteme. Aufgrund des besonders hohen bürokratischen Aufwands allerdings auch eines der teuersten. Seit gut zwei Jahrzehnten wird über eine Reform diskutiert. Nun hat die Regierungsspitze die Kernpunkte vorgestellt, die bis zum Herbst in Gesetzesform gegossen werden sollen.
ie österreichische Regierung will nun das erste „Leuchtturmprojekt“ in Angriff nehmen. Es geht um die überfällige Reform des Sozialversicherungswesens.
Österreich verfügt über eines der am engsten geknüpften Sozialsysteme. Aufgrund des besonders hohen bürokratischen Aufwands allerdings auch eines der teuersten. Seit gut zwei Jahrzehnten wird über eine Reform diskutiert. Nun hat die Regierungsspitze die Kernpunkte vorgestellt, die bis zum Herbst in Gesetzesform gegossen werden sollen.
Mit der Vorstellung des Grundkonzepts begann das übliche politische Ritual. Wiewohl fast alle politischen Parteien von der Notwendigkeit einschneidender Maßnahmen überzeugt sind, wurden die Vorschläge bereits kurz nach der Präsentation von der Opposition mit Kritik überhäuft.
Kernpunkt der Reform ist die Reduktion von derzeit 21 auf künftig maximal fünf Sozialversicherungen:
- So sollen die neun Gebietskrankenkassen zu einer bundeseinheitlichen Gesundheitskasse zusammengefasst werden. Anstelle von neuen Präsidien und Vorständen soll es nur noch eine Führungsebene mit Außenstellen in den Bundesländern geben.
- Die Versicherung der Beamten soll mit jener der Bundesbahner zu einer Versicherungsanstalt für den öffentlichen Dienst und Schienenverkehrsunternehmen fusioniert werden.
- Die Versicherungen der Unternehmer und der Bauern werden zu einer Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen zusammengeführt.
- Erhalten bleibt die Pensionsversicherungsanstalt.
- Das Schicksal der Allgemeinen Unfallversicherung hängt noch davon ab, ob diese imstande ist, ein Einsparungspotential von 500 Millionen Euro zustande zu bringen.
In letzter Konsequenz sollte die Reform, die voraussichtlich bis 2023 voll zum Tragen kommt, dazu führen, dass es statt derzeit 1.000 in Zukunft nur noch 200 Funktionäre gibt. Die Zahl der Verwaltungsgremien wird von 90 auf 30 und die der Generaldirektoren von 22 auf sechs reduziert. Die Kostenersparnis wird mit rund einer Milliarde Euro jährlich beziffert. Und das bei einem Erhalt der bisherigen sozialen Leistungen. Gleichzeitig wird aber auch nicht versprochen, dass mehr Geld für den Ausbau von Kassenärzten und für so genannte Landarztstipendien zur Verfügung stehen soll.
Die Regierungsspitze spricht vom „größten Reformprojekt in der Geschichte Österreichs“. Die Opposition fährt mit vollen Geschützten auf. SPÖ, sozialdemokratische Gewerkschafter sowie die links-grüne Liste Pilz sehen in der angekündigten Radikalreform die „größte Umfärbeaktion der Zweiten Republik“, zumal viele Funktionärsposten eingespart werden. Die Opposition prophezeit auch Leistungskürzungen für die Patienten. Mit der Reform anfreunden kann sich hingegen der Rechnungshof, Zweifel wird nur an der runden Einsparungssumme – eine Milliarde – angemeldet.
Die liberalen Neos sprechen dagegen von einem „Marketing-Gag“. Aufgeschlossen zeigt sich die Ärztekammer. Sie erwartet in die Verhandlungen über das Gesetz eingebunden zu werden. Das gilt auch für die Sozialpartner, gegen die bekanntlich in Österreich nicht wirklich regiert werden kann.