Schweizer Arbeitsmarkt: Über 800'000 Personen würden gerne arbeiten oder ihr Pensum erhöhen

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NZZ (19.06.2018) Am Schweizer Arbeitsmarkt läuft es rund. Die Arbeitslosigkeit ist derzeit so niedrig, wie seit fast zehn Jahren nicht mehr. Allein im ersten Quartal ist die Zahl der offenen Stellen um 17% gestiegen. Der Fachkräftemangel, der sich vor allem bei Ingenieur-, Management- und Technikerberufen zeigt, dürfte sich weiter akzentuieren. Angesichts der rückläufigen Einwanderung und der fortschreitenden demografischen Alterung rückt dabei wieder vermehrt das bestehende Arbeitskräftepotenzial in der Schweiz in den Vordergrund. Dieses ist allerdings kleiner als in zahlreichen anderen Ländern, weil hierzulande die Erwerbsbeteiligung im internationalen Vergleich hoch ist.

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Am Schweizer Arbeitsmarkt läuft es rund. Die Arbeitslosigkeit ist derzeit so niedrig, wie seit fast zehn Jahren nicht mehr. Allein im ersten Quartal ist die Zahl der offenen Stellen um 17% gestiegen. Der Fachkräftemangel, der sich vor allem bei Ingenieur-, Management- und Technikerberufen zeigt, dürfte sich weiter akzentuieren. Angesichts der rückläufigen Einwanderung und der fortschreitenden demografischen Alterung rückt dabei wieder vermehrt das bestehende Arbeitskräftepotenzial in der Schweiz in den Vordergrund. Dieses ist allerdings kleiner als in zahlreichen anderen Ländern, weil hierzulande die Erwerbsbeteiligung im internationalen Vergleich hoch ist.

Nach der Pensionierung ist Schluss

Die Credit Suisse hat in einer am Dienstag publizierten Studie näher beleuchtet, wie gross das nicht ausgeschöpfte Potenzial am Schweizer Arbeitsmarkt ist. Laut der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung 2016 gaben insgesamt 837 000 Personen im Alter zwischen 15 und 74 Jahren an, dass sie gerne (mehr) arbeiten würden. Das entspricht 13,2% der ständigen Wohnbevölkerung. Dazu zählen 238 000 Erwerbslose, die in zwei Wochen eine Arbeit aufnehmen könnten, sowie 332 000 Teilzeitarbeitende, die ihr Pensum gerne erhöhen würden. Die Studienautoren vermuten bei den Erwerbslosen und bei den Teilzeitangestellten kein erhebliches zusätzliches Arbeitskräftepotenzial.

Potenzial unausgeschöpfter Arbeitskraft

Struktur der ständigen Wohnbevölkerung (15 bis 74 Jahre), 2016, in %

012345Wo die Reserven sindSuchen aktuell keine Arbeit, würden aber grundsätzlich gerne arbeitenAuf Arbeitssuche, innerhalb von zwei Wochen nicht verfügbar Erwerbslose, innerhalb von zwei Wochen verfügbar Teilzeitarbeitende, die ihr Pensum gerne erhöhen würden

Quelle:  Bundesamt für Statistik / CS – Grafik: ng

Grössere Chancen sehen sie dagegen bei den 203 000 Personen, die derzeit nicht arbeiten, dies aber grundsätzlich gerne tun würden. Ein gewichtiger Anteil sind ältere Arbeitskräfte. Rund 80 000 Personen im Alter von über 58 Jahren gaben an, an einer Beschäftigung interessiert zu sein. Diese Personen sind in der Regel gut ausgebildet. Bei den 59- bis 65-Jährigen ist jedoch laut der Studie auch fast jeder Elfte der Ansicht, dass er keine Chance auf dem Arbeitsmarkt hat. In der Altersgruppe der 66- bis 74-Jährigen sind lediglich 7% der Beschäftigten daran interessiert, nach der Pensionierung weiterhin einer bezahlten Arbeit nachzugehen. Aber auch das Angebot ist beschränkt. Nur knapp jedes vierte KMU setzt auf eine Beschäftigung über das gesetzliche Rentenalter hinaus.

Teure Betreuungsangebote

Neben den älteren Erwerbstätigen fallen die Frauen ins Gewicht. So sind in der Kategorie der Arbeitskräfte, die grundsätzlich gerne berufstätig wären, fast 60% Frauen. Vor allem familiäre Verpflichtungen sind dafür ausschlaggebend. Dennoch ist die Erwerbsquote von Müttern in der Schweiz insgesamt hoch. Knapp vier von fünf Frauen mit Kindern sind berufstätig – in teilweise geringen Pensen. Jede vierte teilzeiterwerbstätige Person reduziert das Arbeitspensum auch wegen zu teuren oder ungeeigneten Betreuungsmöglichkeiten.

ie es in der Studie weiter heisst, ist das brachliegende Arbeitskräftepotenzial in der Genfersee-Region und im Tessin deutlich höher als in der Zentralschweiz. Nach Berufszweigen existieren ebenfalls Unterschiede. Unausgeschöpftes Potenzial gibt es etwa auch in Ingenieur-, Management-, Technik-, Rechts-, Informatik- und Gesundheitsberufen, in denen der Fachkräftemangel hoch ist. So sind laut der Credit Suisse in den Informatikberufen 14 000 Personen zu den «stillen Reserven» am Schweizer Arbeitsmarkt zu zählen – nur leicht weniger als es in dieser Berufskategorie Erwerbslose gibt.

«Stille Reserven» im Stillstand

Die Zahl der Frauen und älteren Arbeitskräfte, die arbeiten wollen, es aber aus unterschiedlichen Gründen nicht tun, ist über die Jahre stabil geblieben. Es ist somit bisher nicht gelungen, die «stillen Reserven» am hiesigen Arbeitsmarkt besser zu nutzen. Die Studienautoren erwarten, dass es schwierig bleiben dürfte, diese künftig zu mobilisieren. Dies gilt vor allem dann, wenn die Unternehmen und die Politik keine Anstrengungen unternehmen.

Die Probleme und Lösungsansätze sind bekannt. Gefragt sind weitere Fortschritte, um Familie und Beruf besser unter einen Hut zu bringen. Eine Hürde stellt etwa das noch ausbaufähige und oft teure Angebot an Krippenplätzen und Tagesschulen dar. Noch immer bestehen auch steuerliche Fehlanreize für Doppelverdiener-Ehepaare. Unternehmen sollten bei der Rekrutierung und in der Personalpolitik umdenken. Bei älteren Arbeitgebern könnten sie die Weiterarbeit mit flexiblen Arbeits- und Lohnmodellen und Weiterbildungen fördern. Zudem gilt es, Anreize zu beseitigen, die das Arbeiten für Pensionierte finanziell unattraktiv machen.